Nur wer die VerganÂgenÂheit kennt, kann die GegenÂwart versteÂhen und die Zukunft gestalÂten. (August Bebel)
Das SowjeÂtiÂsche EhrenÂmal am OlbrichtÂplatz in Dresden ist zunehÂmend bauflÂlig und muss in naher Zukunft restauÂriert werden. Die tatschliÂche BauflÂligÂkeit dieser KonstrukÂtion verstehe ich zugleich als ein treffÂliÂches Sinnbild fr seine inhaltÂliÂche WiderÂsprchÂlichÂkeit und geschichtÂliÂche KompleÂxitt. Nicht nur die materiÂelle KonstrukÂtion muss saniert werden, sondern auch inhaltÂlich muss eine AufarÂbeiÂtung stattÂfinÂden. Es muss eine Form fr die widerÂsprchÂliÂchen histoÂriÂschen Bezge dieses ObjekÂtes und Ortes gefunÂden werden.
Das tempoÂrre KunstÂwerk mit dem Titel Dieses Gebilde ist fragil lenkt den Blick auf die ambivaÂlente Geschichte des Denkmals, wie auch die ausgeÂsproÂchen unterÂschiedÂliÂchen aktuelÂlen PerspekÂtiÂven auf den JahresÂtag des 8. Mai 1945. HinterÂgrund der knstleÂriÂschen InterÂvenÂtion und der VeranÂstalÂtung am 8.Mai ist auch die im Jahr 2024 bevorÂsteÂhende SanieÂrung und geplante KontexÂtuaÂliÂsieÂrung des Denkmals.
Das Denkmal wurde unmitÂtelÂbar nach KriegsÂende im Auftrag der SowjeÂtiÂschen Militr AdminisÂtraÂtion durch den DresdÂner Bildhauer Otto Rost geschafÂfen und als EhrenÂmal fr die gefalÂleÂnen SoldaÂten der 5. GardeÂarÂmee am 25. NovemÂber 1945 eingeÂweiht. Das Denkmal war damit das erste im Auftrag der SMAD errichÂtete Denkmal fr sowjeÂtiÂsche SoldaÂten auf deutschem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1994 wurde das ursprnglich am AlbertÂplatz befindÂliÂche Denkmal vor das MilitrhisÂtoÂriÂsche Museum an den OlbrichtÂplatz umgesetzt und gilt bis heute als bedeuÂtenÂdes Zeugnis der kommuÂnaÂlen Gedenk- und Erinnerungslandschaft.
Ich greife eine bereits durch den DenkmalÂschutz angebrachte SicheÂrungsÂspange an dem sanieÂrungsÂbeÂdrfÂtiÂgen Denkmal auf, und fasse diese in roter Farbe neu. Ergnzt wird diese farbige VerndeÂrung an drei Seiten des Denkmals durch TextfelÂder, auf denen in roter Schrift auf weiem Grund jeweils ein SchriftÂzug steht: Dieses Gebilde ist fragil!, This strucÂture is fragile! und ??? ??????????? ???????!.
Mit der tempoÂrÂren UmspanÂnung des Denkmals markiere ich nicht nur die materiÂelle FragiÂlitt des Denkmals, sondern auch die FragiÂlitt der erinneÂrungsÂkulÂtuÂrelÂlen Kontexte. Denn die wechselÂhafte Geschichte des EhrenÂmals ist verknpft mit den wichtiÂgen WendeÂpunkÂten unserer Geschichte. Es wurde knapp fnf Monate nach KriegsÂende erbaut von einem Bildhauer, der NSDAP Mitglied war und der von einem AbgesandÂten der SowjeÂtiÂschen Militr AdminisÂtraÂtion beaufÂtragt wurde. Die kriegsÂverÂherrÂliÂchende DarstelÂlung der FigurenÂgruppe, sowie die extrem kurze EntsteÂhungsÂzeit, in einer Phase des Chaos und der MateriÂalÂknappÂheit, lsst vermuÂten, dass die FigurenÂgruppe bereits existierte und fr einen anderen ideoloÂgiÂschen Zweck geschafÂfen war.
Nach der Wende, 1994, wurde das EhrenÂmal aus dem Zentrum der DresdÂner Neustadt an den abgeleÂgeÂnen OlbrichtÂplatz versetzt. Otto Rost hatte fr das EhrenÂmal ein Becken des im Krieg zerstrÂten Brunnens von Robert Diez „StrmiÂsche Wogen“ als FundaÂment genutzt. Dieser Brunnen sollte nun wieder aufgeÂbaut werden, deshalb musste das EhrenÂmal umgesetzt werden. Die StadtÂgeÂsellÂschaft wollte sich aber auch durch die UmsetÂzung von dem in der DDR verordÂneÂten GedenÂken am SowjeÂtiÂschen EhrenÂmal befreien.
Seit dem AngriffsÂkrieg Russlands gegen die Ukraine 2022 hat sich die PerspekÂtive auf das EhrenÂmal verndert. So wurde ffentÂlich der Abriss des SowjeÂtiÂschen EhrenÂmals diskuÂtiert. Der DresdÂner StadtÂrat bekennt sich aber zu dem deutsch-sowjeÂtiÂschen NachbarÂschaftsÂverÂtrag von 1990, der den Erhalt und die Pflege von SowjeÂtiÂschen EhrenmÂlern in DeutschÂland zur Pflicht machte. Das SowjeÂtiÂsche EhrenÂmal am OlbrichtÂplatz soll 2024 saniert werden aber auch kontexÂtuaÂliÂsiert werden.
Ebenso wie die militaÂrisÂtiÂsche FormenÂspraÂche des Denkmals wirft auch die EinordÂnung des Denkmals wie auch des 8. Mai als Tag der BefreiÂung nicht zuletzt anhand unterÂschiedÂliÂcher ErinneÂrungsÂrume und vor dem HinterÂgrund einer pluraÂlisÂtiÂschen ErinneÂrungsÂkulÂtur und einem diffeÂrenÂzierÂten Erinnern der GewaltÂgeÂschichte OstmitÂtel- und OsteuÂroÂpas im 20. JahrhunÂdert Fragen auf, die fr eine zuknfÂtige KontexÂtuaÂliÂsieÂrung von Bedeutungsind.
Am 8.Mai 2023, dem 75. JahresÂtag der BefreiÂung vom NatioÂnalÂsoÂziaÂlisÂmus, fhrte ich mit vier PerforÂmeÂrInÂnen am EhrenÂmal die SkulpÂtuÂrale Bewegung „LEBEN HALTEN“ durch. Eine SoundÂperÂforÂmance, die den menschÂliÂchen Herzschlag zum AusgangsÂpunkt nimmt.
Im Anschluss fand eine ffentÂliÂche DiskusÂsiÂonsÂverÂanÂstalÂtung zum Umgang mit „unbequeÂmen“ DenkmÂlern statt, unter MitwirÂkung von AnnekatÂrin Klepsch (KulturÂbrgerÂmeisÂteÂrin Dresden), Justus Ulbricht (HistoÂriÂker), ChrisÂtiane MenniÂcke-Schwarz (LeiteÂrin KunstÂhaus Dresden) und mir. Ca. 150 PersoÂnen nahmen an der DiskusÂsion teil, die mitunÂter zwar sehr emotioÂnal aber dennoch friedÂlich ablief. Wenige Tage darauf wurde meine InstalÂlaÂtion am EhrenÂmal gestohÂlen. Wir ersetzÂten sie umgehend. Die DiskusÂsioÂnen ber die InterÂvenÂtion „Dieses Gebilde ist fragil“ in Form von persnÂliÂchen ZuschrifÂten oder MeinungsÂausÂtausch in SoziaÂlen Medien halten an.